Mera 98: Zweiter Gipfeltag und Abstieg ins BC | 4. Mai |
Som und Dorje sind wirklich beeindruckend: Um halb drei Uhr früh
servieren sie bei bitterer Kälte ein volles Frühstück und
backen obendrein noch Pfannkuchen zum Mitnehmen!
Langsam kommt auch Guna aus dem Zelt, auch er völlig verschlafen.
Und dann ist auch Oisal da - er wird ebenfalls mitkommen.
Guna möchte warten, bis eine australische Gruppe, die 100 Hm
unter uns am Gletscher campiert, vorausgegangen ist, damit Oisal
und er nicht spuren müssen.
Er hat gestern noch mit deren Führer geprochen, und der meinte,
sie würden um 1/2 3 aufbrechen.
Als aber um 4 Uhr von den Australiern immer noch nichts zu sehen ist,
brechen wir auf. Oisal stapft flott voran und legt die Spur. Guna und ich folgen langsam hinterdrein. Ich habe mir in den letzten Tagen einen neuen Trick zugelegt, um langsam und gleichmaßig zu gehen: Ich ziehe in Gedanken den Ablauf verschiedener Karate-Katas nach. Jede Technik ein Schritt. Ichi, ni, som ... das funktioniert recht gut. Die erste Stunde geht es relativ flach und gemütlich auf einen großen Serac zu, der links umgangen wird. Das ist gerade recht zum aufwärmen und eingehen. Danach kommt ein ziemlich steiles Stück, für das wir ebenfalls etwa eine Stunde brauchen. Oben lehnt sich der Gletscher zurück, wird immer flacher und zieht in einem weiten Bogen nach rechts zum Gipfel. Oisals Spur führt im Steilstück einfach schnurgerade nach oben. Unglaublich, was für eine Kondition er hat. Ich folge ihm eine Weile, doch im letzten Drittel wird es mir zu viel, und ich beginne Serpentinen zu gehen. So geht es doch viel leichter. Im Osten sieht man seit einiger Zeit schon einen hellen Streifen und davor die Silhouetten einiger hoher Berge. Es ist wunderschön! Als schließlich die Sonne ganz aufgeht, müssen wir einfach stehen bleiben und die phantastische Aussicht genießen: Numbur, Gaurishankar, Cho Oyu, Ama Dablam, Pumori, Everest, Lhotse, Nuptse, Makalu liegen vor uns ausgebreitet. Weit im Osten noch ein ganz hoher ... ob das schon der Kangchenjunga ist? Dazu ist es übrigens bitterkalt, vor allem wegen des kalten Windes. Doch nun sendet die Sonne ihre ersten wärmenden Strahlen ...
Also direkter Abstieg. Wir gehen sehr flott, laufen fast. Um 9 Uhr treffen wir einige Australier mit ihren Sherpas. Sie haben noch etwa eine Stunde zu gehen, aber mittlerweile ist es drückend heiß und der Schnee recht weich geworden. Wir plaudern kurz mit ihnen, wünschen ihnen Glück, dann sausen wir weiter. Weiter unten, mitten im Steistück, finden wir den zweiten Teil der australischen Gruppe. Diese Typen sehen schon ganz schön fertig aus. Nochmals gute Wünsche und weiter. Im Flachen treffen wir schließlich auf fünf Briten, die wir schon in Shivalaya kennengelernt haben. Sie sind um 5 Uhr vom Camp auf 5600m aufgebrochen, haben bis hierher also über 4 Stunden gebraucht. Jetzt brüten sie in der Hitze. Ich möchte nicht mit ihnen tauschen. Gegen 1/2 10 erreichen wir überglücklich das Hochlager, das schon halb zusammengepackt ist. Bei einigen Tassen Milchtee werden die Erlebnisse der beiden Gipfeltage verglichen. Es herrscht große Freude über den 100%igen Erfolg. Oisal war sogar zweimal am Gipfel!
Also Abstieg nach Khare. Mittags bei dieser Hitze über den Gletscher, auf einer Spur, die kreuz und quer über verdeckte Spalten läuft. Alex, Wolfgang, Rob und ich können uns ja anseilen, eventuell auch Guna und die Climbing Sherpas. Aber was ist mit den restlichen Nepalis, die schwer beladen im Meterabstand dahin laufen? Mein Adrenalinspiegel ist jedenfalls weit jenseits des Normalwertes, und ich bin heilfroh, als wir ohne Zwischenfall das Gletscherende erreichen. Maila ist uns mit einer Literflasche Bier entgegen gekommen, die nun die Runde macht. Der weitere Abstieg verläuft in bester Stimmung und unter kindlichem Gelächter. Wer sich von so viel Fröhlichkeit nicht anstecken läßt ... ! Am frühen Nachmittag sind wir in Khare. Während des Abstiegs hat es die meiste Zeit über geschneit. Hier "herunten" (auf knapp 5000m) haben wir nun eine Mischung aus Graupeln und Schneeregen. Mit einem Wort: ein Sauwetter. Den Nachmittag verdösen wir im Zelt. Der Schneeregen drückt schon arg auf die Stimmung. Mir persönlich ging der Abstieg ohnehin viel zu schnell: Ich wäre gern noch oben auf dem Gletscher. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit reißt es noch einmal auf. Zwischen Wolken und Nebelfetzen erscheint noch mal der Mera. Ein toller Anblick! (c) 1998 by SK |