Istor-O-Nal Expedition 1996
Jubiläumsexpedition der ÖAV Sektion Edelweiß, Hindukusch, Pakistan
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Zur Besteigungsgeschichte
Oder warum gerade dieser Berg gewählt wurde - von Roland Maruna
"Istor o'Nal" - oder auf deutsch - "das Hufeisen".
Ein merkwürdiger Name, der zu denken gibt.
Eigentlich hätte er das auch schon früher tun können.
Hat er auch, doch offensichtlich nur in der Interpretationsrichtung, daß
ein Hufeisen Glück bringen müsse. Daß die Bezeichnung Hufeisen aber auch
ein Hinweis auf die Anlage des Bergmassivs sein könnte, wurde erst später
klar.
1929 taucht eine englische Partie der Survey of India am oberen Tirich
Gletscher auf und versucht über den heute als Südwestgrat bezeichneten
Rücken anzusteigen. Es wurde eine Höhe von ca. 6100m erreicht.
Schlechtwetter, Ausrüstungsmängel und Orientierungsprobleme
ließen den
Versuch schließlich scheitern. [1,1a]
1935 kommen wieder Briten. R. J. Lawder und D. N. B. Hunt gehen eine etwas
abweichende Route. Sie wählten ein scheinbar machbares Couloir etwas
nördlich vom SW-Grat.Dieses war von hartem Eis erfüllt und erforderte
mühevolle Stufenarbeit. Den Ausstieg bildeteeine etwa 100m hohe
Felsflanke, die auf den stark verwächteten Grat führte. Sie kamen nur
langsam vorwärts, erreichten nach etlichen Tagen eine Höhe von 6800m am
Beginn eines breiteren Kammes, den sie dann noch bis zu einem Punkt weiter
verfolgten, den sie für den Gipfel hielten, Höhe ca 7100m. Doch wie sich
später herausstellen sollte, war es "nur" ein Nachbargipfel des Rock
Pinnacle. [1]
Auch die amerikanische Kleinexpedition mit J. E. Murphy jr. und
T. A. Mutch vom Princeton Mountaineering Club bewegt sich auf dieser Route.
Sie finden noch Ausrüstungsgegenstände von 1935
(...an anchor rope was still visible...),
setzen vier Camps, bevor sie am 8. Juni 1955 bei großer Kälte und sehr
schlechter Sicht um 4 Uhr Nachmittag den vermeintlichen Gipfel,
ein Schneeplateau, erreichten. [2,3]
Doch alle unterlagen einem Irrtum. Dieser ist leicht zu verstehen,
wenn man die alte vom Survey of India hergestellte Karte betrachtet.
In dieser führt der SW-Grat ohne Unterbrechung zum Hauptgipfel.
Auf ihr basieren die Kartenskizzen in den verschiedenen Quellen.
Daher war es auch richtig den SW-Grat als Anstiegsroute, den
"summit ridge" (R.J.Lawder), zu wählen.
Erst zwei Expeditionen der Sechziger Jahre verändern das Kartenbild.
1965 schauen K. Diemberger, H. Handler und F. Lindner vom Tirich Nord
hinüber zur Istor o'Nal-Gipfelregion und erkennen bei klarem Wetter
den tatsächlichen Aufbau des Gipfelmassivs [4]. Sie sehen eine Mulde,
die vom Nord I (7373m), Nord II (7300m), Nord III (7310m) sowie dem Nordost
(7276m) umrahmt ist. Dazu kommt auch ein echter Ostgipfel (7100m). An den
Nord II schließen sich West II (ca 7280m) und West I (7300m) an. Dieser
West I ist auch der höchste Punkt des Südwestgrats. Südöstlich des
West I befindet sich am Ende eines Riesencouloirs der "Grand Saddle",
der Gipfelcol, der somit die 7 Nord-Westgipfel von der eigentlichen
Gipfelregion trennt. Wer also zum Hauptgipfel will, muß etwa 300m zum
Col absteigen und dann in südöstlicher Richtung erneut aufsteigen.
Solche Abstiege sind aber in allen bisherigen Berichten nie erwähnt worden!
Wo waren also die Amerikaner 1955? Ihr Bericht spricht für ein Erreichen
des West I. "Sie gingen über drei Schneekuppen, einen schmalen Grat mit Wächten, erst dann wird es flach und es geht überall bergab". (..three small mounts of snow..fifty yards beyond the ridge leveled and hundred yards farther, it fall away. We had reached the summit...) [2]
Der endgültige Beweis dieser Sachlage gelingt den Salzburgern K. Lapuch
und M. Oberegger. Beide erreichen am 29. Juni 1967 zum erstenmal sowohl
den Istor o'Nal Nord I wie auch den Nord II über die wilde Südwestwand [5].
Sie fotografieren das Firnbecken. Im Abstieg wird es noch dramatisch.
M.Oberegger stürzt knapp über dem Lager 3 etwa 300m über's Steileis -
Beinbruch. Es gelingt eine tolle Rettungsaktion Lapuchs gemeinsam mit
M. Friedwagner - Oberegger überlebt. Heute weiß ich, welche Leistung
damals vollbracht wurde! Kippende Seracs, Spalten und Lawinen sind die
Hauptgefahren in dieser Wand. Zehn Tage später ist Lapuch mit K. Diemberger
wieder im C 1 und ersteigt zum erste und bisher einzigen Mal den
Nobaisum Zom (7070m)! Die Fotos zeigten jetzt zwar den Standort des
Hauptgipfels auf, jedoch wer versucht es?
Die japanische Frauenexpedition 1968 unter der Leitung von K. Sato kommt
ebenfalls nur bis zum Roch Pimacle, wie sich nach Veröffentlichung der
Bilder im Expeditionsbericht "Himalaya 7403m" zeigt [6].
1969 erreichen Tschechoslowaken unter T.Surka den gleichen Gratkopf,
kurz bevor eine japanische Mannschaft der Universität Kansai
(Leiter A. Nimura) hier einen Teilnehmer durch tödlichen Absturz verliert
und umkehrt.
Endgültige Klärung bringt erst die "Expedicion Barcelona" unter
J. M. Anglada im August 1969. Die Spanier steigen vom Rock Pinnacle
ostwärts in den Firnkessel ab, errichten dort ein Lager und stehen als
erste Menschen am nächsten Tag auf dem Hauptgipfel (7404m)! Vorher war
dieser Truppe schon die Erstbesteigung von vier Sechstausendern rund um
den Istor o'Nal gelungen (Apollo XI Zom, Ghul Lasht Zom III, Cataluna Zom
und Ape-e-Safed-Südgipfel) [7]. Zwei Jahre war es wieder ruhig.
Dann kamen zehn Jugoslawen unter derLeitung von Dr. Ivo Valic. Sie suchten
nun den direkten Aufstieg zum Hauptgipfel und fanden ihn. "Basislager in
Nalagut am Fuß des Nalagrates, drei Camps, Felsschwierigkeiten IV bis V,
steiles Eis und eine ausgesetzte Querung über Camp 2 (Fixseile). Am 5. Juni
1971 schließlich erreichte eine Zweierseilschaft den Hauptgipfel.
Die "Diretissima" über den Südgrat war gefunden. Leider verstarb einer
der besten Jugoslawen auf der Heimreise bei einem Verkehrsunfall [8].
Im Juli 1976 kam eine Niederländische Expedition mit elf Teilnehmern unter
der Leitung von Ruud van Maastrecht. Nach einer Besteigung des Gulasht Zom
Ost entschied man sich für die Lapuch Route als den nach wie vor elegantesten
Aufstieg zu einem Istor o'Nal Gipfel. Am 6., 7. und 8. August erreichten
R. Naar, R.van Maastricht, B. Tellegen und F. Bougers den Nord I als zweite
Besteiger. Es war zu diesem Zeitpunkt niederländischer Höhenrekord. [9]
Im Juli 1979 versuchen sechs Japaner erstmals von Norden mit dem BC auf dem
südlichen Atrakgletscher die Nordwand des Nordostgipfels (7276m).
Doch sie scheitern in etwa 6500m wegen technischer Probleme. [1,12]
Dann wird es ruhig. Das Gebiet wird als Grenzgebiet zu Afghanistan gesperrt.
Erst im August 1987 gelingt einer deutsche Kleinexpedition unter Alfred
Fendt eine weitere Besteigung des Nord I - allerdings auf zum Teil neuer
Route - über den nördlichen Eisbruch des Nobaisum Gletschers. Fendt
beschreibt die Schwierigkeiten ähnlich Ronald Naar mit Passagen bis 60° und
dem Finden eines einigermaßen sicheren Durchstieges. Am 25. und 28. August
waren A.Fendt mit H.J.Stierle und Kl.Cramer mit N.Kraus erfolgreich. [13]
1991 bezieht eine italienische CAI Expedition unter Paolo Civera das
S-Grat BC. Am 14.August erreichen C .Della Vedova und L. Pasini den Nord I,
kehren um obwohl sie geplant hatten, über den Col zum Hauptgipfel
weiterzugehen. [10]
1992 leitet E. Schwarzenlander eine Kleingruppe des DAV-Summitclub's zum
Nord I. Schwierige Verhältnisse ließen einen Gipfelgang nicht zu, in ca
7200m wurde abgebrochen, die Zeit war zu kurz. Vor allem waren die
Verhätnisse im unteren Drittel desAufstieges zu gefährlich, das allgemeine
Abschmelzen des Eises hatte auch der SW-Wand zugestzt und echte Probleme
bei der Routenwahl ergeben. [14]
1995 erfolgte der bislang letzte Besteigungsversuch. Unter Reinhold Staubers
Leitung entschied sich die Jubiläumsexpedition des AV-Villach für die
Jugoslawen Route über den Südsporn. Neun Teilnehmer rackerten sich
ab - und am 19.August standen R.Stauber, M.Jannach und P.Tributsch
als Dritte auf dem Hauptgipfel, die erste Wiederholung der Jugoslawen
Route war gelungen.
Ein geheimnisumwitterter Berg, dem erst in den letzten Jahren so richtig
zu Leibe gerückt wurde, der trotzdem erst drei Anstiegsrouten aufweist,
von denen der Südgrat erst zweimal, der SW-Grat mehrmals, aber bis zum
Hauptgipfel erst einmal und die schwierige SW-Wand bis zum Nord I bzw.II
erst dreimal, allerdings auf zwei verschiedenen Wegen bestiegen worden
war, sollte für unser "Jubiläumsvorhaben" geeignet sein.
Literatur: 1. Neate Jill, High Asia, 1989, S.160-162 1a.American Alpine Journal, Mai 1936, S.118-123 2. American Alpine Journal 1955/56, S.66-74 3. The Himalayan Journal, Records of the HC, Vol XIX,S.156-164 4. A.Diemberger, Zur Klärung des Problems der Istor o'Nal Gipfel, in ÖAZ, März/April 1970, Folge 1370, S.44/45 5. K.Lapuch, Hindukusch Expedition der HG Salzburg 1967, im Jb. d. DAV 1968, Bd.93, S.137-141 6. American Alpine Journal 1969, S.465 7. Bergsteiger 5/1970, S.54 8. Ivo Valic, Die dritte jugoslawische Hindukusch-Expedition 1971, in Bergsteiger 10/1971, S.53 9. Bergsteiger 6/1977, S. 346,356 10. Privatmitteilung A.Fendt 11. AV-Aktuell 4/95, S.8/9 12. F.Rudolph, Chomolungma und ihre Kinder, Sportvlg. Berlin 1986, S.254 13. DAV Sektion Allgäu Immenstadt, Jahresbericht 1987, S.52-54 14. Privatmitteilung von Eckhard Kunze vom 5.11.1996 |